Ihre Browserversion ist veraltet. Wir empfehlen, Ihren Browser auf die neueste Version zu aktualisieren.

Als der Wald seine Seele verlor,
oder die Geschichte vom Bildhauer im Pappelhain

 

Es trug sich zu in einer Zeit die schon müde und zermürbt war vom Kampf und Elend des Krieges, wo weite Ebenen verwüstet waren und im Kampf gefallene Seelen umherirrten und die Menschen verdarben, sich selbst verlieren ließen...

Wo Haß und Kriegstreiberei noch ein letztes mal überhand nehmen sollten, als feindliche Soldaten auf eine Gruppe flüchtender Menschen trafen, 14 an der Zahl. Sie trieben die verzweifelten in den nahen Pappelwald und metzelten sie dort auf grausame Art und Weise nieder.

In diesem Moment, als die letzte der gemarterten Seelen seinen Körper verließ, hörten die Pappeln auf zu wachsen. Das fürchterliche Leid trieb sich durch die zarten Borken der starken Bäume in die lebenspendenden Adern, als fänden die Seelen dort endlich Schutz und Wärme, den jüngsten Jahresring blutrot gefärbt.

So überdauerten die Bäume über 50 Jahre in eisigem Stillstand, sahen die Zeit an sich vorüber ziehen, und gleich zu welcher Jahreszeit lag ein kalter Schatten über dem dunklen grün. Ein Geheimnis in sich tragend. So ergab es sich, daß einst ein Menschenwesen sich dorthin verirrte, lange hatten die Pappeln keinen freundlichen und offenen Menschen mehr gesehen, magisch angezogen von der eigenwilligen Energie verbrachte der Mann Stunde um Stunde in dem Pappelhain, ging mit bedacht von Baum zu Baum berührte die rissige Rinde, und erschauerte unter dem was die mächtigen Gestalten zu erzählen hatten.

Der Mann ließ 14 der Pappeln schlagen, brachte sie nach hause und haute aus ihnen, unbewußt dessen was er tat, 14 Skulpturen und Bildnisse. Jeden Tag zwei. Erschöpft sank er am siebten Tag in einen traumlosen Schlaf und als er schließlich erwachte erkannte er, daß sich 14 einsame getriebene Seelen durch seine Hand befreit hatten, der Welt die grausame Erinnerung eines Krieges zu zeigen. So bleibt kein Verbrechen verborgen und mag es Jahrzehnte dauern, es kommt die Zeit, da die Geschichte sich selbst erzählt.

VAL 2003

Kunst ist kein Eindruck des Auges, sondern ein Ausdruck der Seele...